Kolumne Gemeindepräsident: Identität
Im letzten Editorial habe ich im Zusammenhang mit der Ortsplanungsrevision über den Charakter und die Identität von Seuzach geschrieben: Seuzach verbinde als aktive und lebenswerte Gemeinde Dörfliches mit Urbanem und sei ländlich geprägt.
Heute möchte ich das Thema der Identität etwas weiter fassen und dazu einige Fragen aufwerfen, die aufgrund zunehmender Polarisierung immer schwieriger zu beantworten sind. Was sind unsere gemeinsamen Werte, mit denen wir uns als kleine, mehrsprachige Schweiz differenzieren und gegen innen solidarisieren? Wie würden wir unsere kollektive Identität als Schweizer Volk im Jahr 2025 beschreiben?
In diesem Kontext ist es wichtig zu verstehen, dass unsere Identität auf einem gemeinsamen politischen Willen zur Freiheit und Selbstbestimmung gründet und nicht beispielsweise auf einer gemeinsamen Sprache. Wir sind also eine Willensnation, deren Grundwerte Freiheit und Selbstbestimmung sind. Damit diese Werte auch in Zukunft erhalten bleiben, müssen wir entsprechend handeln: Verantwortung übernehmen, solidarisch sein, Kompromisse eingehen etc.
Wenn ich auf unser Abstimmungsverhalten sowie das Verhalten der Wirtschaft und Politik in den letzten Jahren zurückblicke, bin ich mir nicht sicher, ob wir uns dieser wichtigen Tugenden für unsere Freiheit und Selbstbestimmung bewusst sind. Wir investieren ohne mittel- und langfristige Finanzierungssicherung. Grossfirmen entfremden sich durch ihre einseitige Fokussierung auf die Shareholder von der Gesellschaft. Immer weniger Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien sind in der Lage, gemeinsam mehrheitsfähige Kompromisse zu finden.
In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass wir mit unserem gegenwärtigen Verhalten unseren Willen zur Freiheit und Selbstbestimmung und damit unsere Identität als Schweiz aufgeben. Und mit «wir» meine ich die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Staat.
So weit wollen wir es aber definitiv nicht kommen lassen. Übernehmen wir deshalb in Seuzach Verantwortung, seien wir solidarisch und gehen wir Kompromisse ein.
Und bleiben wir über die Debatte zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Staat in Verbindung. Denn nur, wenn wir diese Tugenden im Kleinen leben, können wir unsere kollektive Identität für die ganze Schweiz stärken.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin viele goldene Herbsttage.
Ihr Gemeindepräsident
Manfred Leu