
Kolumne Gemeindepräsident: Entfremdung
In den vergangenen Jahren gingen in der Schweiz viele wirtschaftsfreundliche Abstimmungen verloren. Die Wirtschaft, ein wesentlicher Erfolgsfaktor für unseren Wohlstand, ging auch bei der letzten Abstimmung zum Steuergesetz im Kanton Zürich als Verliererin hervor
Auch im tendenziell wirtschaftsfreundlichen Seuzach wurde die Steuersenkung bei geringer Stimmbeteiligung abgelehnt, wenn auch nicht so deutlich wie in der Stadt Winterthur. Vorbei sind die Zeiten, als die Stimmberechtigten zugunsten der Wirtschaft freiwillig auf eine Woche mehr Ferien verzichteten.
In den Medien wurde das Nein zur Steuersenkung rasch analysiert und nach Gründen dafür gesucht. Auch viele Gemeindepräsidenten und -präsidentinnen äusserten sich zum erneuten «Rückschlag» für die Wirtschaft. René Huber, Stadtpräsident von Kloten, sagte in der NZZ, dass eine Entfremdung zwischen der Führung von Grosskonzernen und ihrer Wählerbasis zu beobachten sei. Ist diese Entfremdung gar der Hauptgrund für das abnehmende Vertrauen in unsere Wirtschaft?
Bis Ende des letzten Jahrhunderts galt in der Schweiz mit dem ungeschriebenen Gesetz des Gesellschaftsvertrags zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Staat eine Art stiller Konsens gegenseitiger Unterstützung. Aufgrund von Skandalen, exorbitanten Managersalären und abnehmender gesellschaftlicher Verantwortung der Unternehmen ist heute jedoch ein zunehmendes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Grosskonzernen festzustellen.
Die Wirtschaft muss erwachen, wieder mehr Verantwortung übernehmen und an ihrer Glaubwürdigkeit arbeiten! Gleichzeitig sollten wir uns als Gesellschaft wieder stärker bewusst werden, welch wichtigen Beitrag die Wirtschaft für unseren Wohlstand leistet. Denn Wirtschaft, das sind wir alle und nicht nur die Unternehmen.
Eine Chance, der Entfremdung entgegenzuwirken, bietet unser Milizsystem. Es kann Nähe zwischen Wirtschaft und Bevölkerung schaffen und somit Vertrauen fördern. Leider wird aber auch das Milizsystem immer weniger genutzt, wie Avenir Suisse in einem Beitrag im Mai dieses Jahres feststellte: „Hinzu kommen die gestiegenen Anforderungen der Berufswelt: Während die Produktivität stetig zunimmt, fühlt sich laut Umfragen ein wachsender Anteil der Arbeitnehmenden gestresst… Unter solchen Bedingungen sinkt die Bereitschaft, neben der Berufstätigkeit auch noch ein mit hoher Verantwortung behaftetes Milizamt zu übernehmen.“
Es wird also entscheidend sein, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam nach Lösungen suchen, um das Milizsystem zukunftsfähig zu gestalten. Gehen wir deshalb diesen Weg wieder miteinander statt gegeneinander – wir als Gesellschaft, wir als Wirtschaft und wir als Staat. Dafür braucht es von allen Parteien den Willen, aufeinander zuzugehen, eigene Interessen zurückzustellen und Kompromisse einzugehen.
Nun freue ich mich, Sie am Montag, den 16. Juni, um 20 Uhr im Saal Zentrum Oberwis zur Gemeindeversammlung einzuladen und Sie persönlich begrüssen zu dürfen.
Ihr Gemeindepräsident
Manfred Leu