Kolumne Gemeindepräsident: Rück- mit Ausblick
Auch in diesem Jahr nutze ich meine Dezember-Kolumne für einen Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr. Ich nehme Sie mit auf eine Reise zu den Themen, die uns durch das Jahr begleitet haben und über die ich berichtet habe. Und zum Abschluss werfe ich einen kurzen Blick nach vorn: Was erwartet uns 2026?
Anfang des Jahres habe ich im Zusammenhang mit der von Tamedia angekündigten Integration des Landboten in den TagesAnzeiger über das Thema der Machtverteilung geschrieben. Meine These, dass dieser Schritt nicht nur die vierte «informelle Gewalt» auf lokaler und regionaler Ebene schwächt, sondern auch unser föderalistisches, direktdemokratisches Milizsystem schleichend aushöhlt, hat bei Tamedia eine Reaktion ausgelöst. In der Gegendarstellung in der März-Ausgabe der Seuzi Zytig hat Tamedia versprochen, weiterhin in den Lokal- und Regionaljournalismus zu investieren und eine wichtige Stimme bei der Meinungsbildung zu sein. Ob dieses Versprechen seither eingelöst wurde, lasse ich hier einmal offen.
Im März habe ich mich mit der Bundesratswahl auseinandergesetzt, weil ich der Meinung bin, dass bei dieser Schlüsselposition Persönlichkeiten gefragt sind, die historisches Bewusstsein, eine realistische Einschätzung der Gegenwart und visionären Weitblick vereinen. Entscheidend ist jedoch nicht die Einzelperson allein, sondern das Zusammenspiel des gesamten Bundesrates. Nur wenn das Kollegium gemeinsam auftritt, eine klare Strategie formuliert und offen kommuniziert, kann es seine Rolle als Exekutive wirklich erfüllen. Denn Politik darf nicht nur verwalten, sie muss auch gestalten. Diese Lektion gilt nicht nur für Bern, sondern auch für uns hier in Seuzach. Nur wenn wir als Gemeinderat gemeinsam, mit Perspektive und Mut handeln, können wir unsere Gemeinde in eine gute Zukunft führen. Nach diesem Prinzip hat der Gemeinderat der Stimmbevölkerung Ende März eine revidierte Vorlage für den Projektierungskredit für den Neubau des Primarschulhauses Rietacker vorgelegt, welche die Gemeindeversammlung mit deutlicher Mehrheit gutgeheissen hat. Damit hat die Stimmbevölkerung den Startschuss für die Planung des Ersatzneubaus des über 90 Jahre alten Schulhauses gegeben, das bei seiner Erstellung zu den modernsten im Kanton Zürich zählte.
Gemeinsames Handeln entsteht dort, wo unterschiedliche Interessen gehört, gewichtet und zusammengeführt werden. Genau damit habe ich mich in meinem Beitrag mit dem Titel Interessenpolitik im April befasst. Jeder Mensch vertritt Interessen, das ist nicht nur legitim, sondern notwendig. Die Kunst der Exekutive liegt darin, das Gemeinwohl nicht aus den Augen zu verlieren. Auch in Seuzach sehen wir uns bei vielen Entscheidungsfindungen mit dieser Herausforderung konfrontiert. Bei vielen Entscheidungen müssen Interessen abgewogen werden. Unsere Aufgabe als Gemeinderat besteht darin, alle Stimmen zu hören und Lösungen beziehungsweise Kompromisse zu finden, die für alle tragfähig sind und auch für kommende Generationen Bestand haben.
Meine Mai-Kolumne stand ganz im Zeichen von Meilensteinen. Meilensteine sind Orientierungspunkte, die aufzeigen, was wir bereits erreicht haben. Sie markieren die Momente, in denen wir Bilanz ziehen und entscheiden, wie es weitergeht. Ein wichtiger Meilenstein, den wir in diesem Jahr erreicht haben, ist der bereits erwähnte Start der Projektierung des Schulhausprojekts Rietacker. Daneben stellt die Annahme der Gesamtrevision unserer Ortsplanung an der Gemeindeversammlung einen weiteren bedeutenden Meilenstein für die zukünftige Entwicklung unseres Zentrums dar. Darauf werde ich später im Rückblick noch einmal zurückkommen.
In der Sommerausgabe habe ich das Thema Entfremdung behandelt. Ein anspruchsvolles, aber aktuell überaus relevantes Thema. Bis Ende des letzten Jahrhunderts hat in der Schweiz mit dem ungeschriebenen Gesetz des Gesellschaftsvertrags zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Staat eine Art stiller Konsens gegenseitiger Unterstützung gegolten. Aufgrund von Skandalen, exorbitanten Managersalären und abnehmender gesellschaftlicher Verantwortung der Unternehmen ist heute jedoch ein zunehmendes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Grosskonzernen festzustellen. Die Wirtschaft muss erwachen, wieder mehr Verantwortung übernehmen und an ihrer Glaubwürdigkeit arbeiten! Gleichzeitig sollten wir uns als Gesellschaft wieder stärker bewusst werden, welch wichtigen Beitrag die Wirtschaft für unseren Wohlstand leistet. Denn Wirtschaft, das sind wir alle und nicht nur die Unternehmen.
Im August stand die Gemeindeautonomie im Mittelpunkt. Ein hohes Gut, das wir in der Schweiz pflegen. Autonomie heisst: Wir dürfen selbst entscheiden, aber wir tragen auch selbst Verantwortung. Ob bei der Schulraumplanung, bei der Gestaltung unseres Zentrums oder bei sozialen Aufgaben. Seuzach ist keine Spielwiese des Kantons, sondern eine eigenständige, selbstbewusste Gemeinde.
In der September-Kolumne mit dem Titel «Macht gute Laune» griff ich die inspirierende 1.-August-Rede von Ludwig Hasler auf, in der er mit Witz und Weisheit daran erinnerte, dass Pessimismus reine Zeitverschwendung ist. Stattdessen sollten wir gute Laune haben, Appetit auf die Zukunft entwickeln und Generationen verbinden. Diese Haltung prägte auch das 900-JahrJubiläum von Ohringen Mitte September mit Regierungsrätin Natalie Rickli als Festrednerin: ein Fest geprägt von Gemeinschaft, Humor und Geschichte. Vom kaiserlichen Gesandten über Musik und Marktstände bis hin zur Einweihung des neuen Lindeneggplatzes zeigte sich, wie lebendig Geschichte werden kann, wenn eine Dorfgemeinschaft zusammenwirkt. Dieses Miteinander ist das beste Versprechen für die Zukunft: «Wenn wir weiterhin zusammenstehen, aufeinander zugehen und uns gemeinsam engagieren, dann hat Ohringen nicht nur eine 900-jährige Geschichte, sondern auch eine lebendige und blühende Zukunft.»
Im Oktober-Editorial stand die erwähnte Abstimmung zur Ortsplanungsrevision im Mittelpunkt. Die zuständige Arbeitsgruppe hatte sich intensiv mit den neuen gesellschaftlichen und gesetzlichen Anforderungen auseinandergesetzt. Neben den strategischen Zielen diente ihr das räumliche Entwicklungskonzept 2040 als Kompass. Die Gemeindeversammlung stimmte am 3. November dem kommunalen Richtplan Verkehr sowie der Gesamtrevision der Nutzungsplanung mit grossem Mehr zu. Damit wird mit dem Instrument des «Ergänzungsplans Zentrum» auch der Weg für eine zukunftsorientierte Entwicklung unseres Zentrums geebnet. Seuzach kann so mit einer klaren Vision den Charakter und die Lebensqualität unseres Dorfes für die nächsten Generationen sichern.
In meinem November-Editorial erinnerte ich daran, dass unsere Schweizer Identität auf den Grundwerten von Freiheit und Selbstbestimmung gründet – Werte, die uns als Willensnation zusammenhalten. Doch diese Basis bleibt nur tragfähig, wenn wir die Tugenden pflegen, die sie stützen: Verantwortung übernehmen, solidarisch sein, Kompromisse eingehen. In einer Zeit zunehmender Polarisierung und eigennütziger Interessen braucht es zudem wieder mehr Verständigung zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Staat. Wenn wir im Alltag einander zuhören, gemeinsam handeln und die besagten Tugenden pflegen, stärken wir jene Verbundenheit, die unsere kollektive Identität prägt. Das, was die Schweiz im Innersten zusammenhält.
Was im Grossen gilt, zeigt sich auch im Kleinen: Unsere kollektive Identität entsteht dort, wo wir Verantwortung übernehmen und gemeinsam anpacken – in unserer Gemeinde, Tag für Tag.
Damit kommen wir vom Rück- zum Ausblick ins 2026. Neben den Gesamterneuerungswahlen, deren erster Wahlgang am 8. März stattfindet, wird auch im nächsten Jahr das Neubauprojekt Primarschulhaus Rietacker wieder im Vordergrund stehen. Es steht die Urnenabstimmung über den Baukredit an. Wir werden hierzu auf verschiedenen Kanälen ausführlich informieren. Abgesehen von diesem Fokusprojekt und dem Tagesgeschäft wird uns im ersten Halbjahr 2026 auch der Abschluss der Vorhaben aus dem Legislaturprogramm beschäftigen. Über den aktuellen Umsetzungsstand werden wir noch vor Ende der Legislaturperiode berichten.
Nun wünsche ich Ihnen allen eine stressfreie und besinnliche Adventszeit, frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Ich freue mich, Sie am Neujahrsapéro am 11. Januar um 11 Uhr im Saal der Kath. Kirche persönlich begrüssen zu dürfen. Lassen Sie uns auch im Jahr 2026 neugierig, gut gelaunt und kompromissbereit bleiben!
Ihr Gemeindepräsident
Manfred Leu